Der Fluchthelfer


„Ja, woher wissen Sie denn das?“ fragte eine Stimme mit recht aggressivem Unterton. „Haben Sie ihn schon mal gesehen?“ „Wie sieht er denn aus?“ riefen einige Stimmen. Wieder andere wollten wissen, ob über diesen Fluchthelfer etwas in der Zeitung gestanden hätte. Nach einem weiteren Schluck aus seinem Bierkrug wandte sich der schweigsam lächelnde Förster nochmals an die Runde seiner Stammtischler: „Ihr wisst alle, dass wir kurz vor dem Osterfest darauf hoffen dürfen, dass der Winter bald vorüber sein wird. Ich selbst bin jedes Jahr vom Beginn des Frühlings sehr berührt, so wie ich ihn als eine Bestätigung der christlichen Schöpfungslehre empfinde – auch wenn ich immer noch mit dem ´Bodenpersonal` meine Probleme habe. – Wenn Ihr einverstanden seid, dann werde ich Euch jetzt ein paar Worte von meiner jüngsten Begegnung mit dem Fluchthelfer mitteilen: Erst kürzlich war ich mit meinem Hund auf dienstlichem Waldbegang, da begegnete ich in der Abteilung `Riedrain zwei Männern, die neben einem Schneehaufen auf der Erde hockten. Beim Näherkommen entdeckte ich, dass die Beiden auf einer Pferdedecke saßen und damit beschäftigt waren, zwei riesige Sträuße Weidenkätzchen mit Hanfschnüren zusammenzubinden. Auf meine Nachfrage erklärten beide übereinstimmend, dass sie die Zweige zur Sakristei unserer Kirche bringen wollten, um sie dort für die Weihe in der Palmsonntagsmesse vorzubereiten. -  Ihr, liebe Stammtisch-Brüder, kennt diese Zwei auch, die in der ganzen Umgebung als Taugenichtse bekannt sind, und die schon einige ´Heldentaten´auf ihrem Konto haben. Meine Anrede war daher nicht gerade freundlich: „Habt Ihr noch nichts von´Bienenweide´ gehört?“
„Was heißt Bienenweide?“ fragte mit frechem Grinsen der Kahlköpfige von beiden und erhob sich von seinem Sitz.
„ Sogar in der Bayerischen Verfassung steht, dass jeder Bürger des Freistaates die Staatsforsten ungehindert betreten, zu Erholungszwecken nutzen und sich mit Ausnahme von den geschützten Pflanzen einen Handstrauß der vorkommenden Vegetation mitnehmen darf!“
„Da hast Du aber unsere Verfassung sauber auswendig gelernt!“ lachte der Forstmann. „Weißt du eigentlich, wie Du im Dorf sehr treffend genannt wirst?“ – „Eijoh, so paar Blödmänner erfinden immer irgendwelche Beleidigungen!“ antwortete prompt der glatzköpfige Weidenkätzchenräuber.
Unbeeindruckt fuhr ich als der zuständigeForstbeamte fort: Geier` nennen sie Dich und nicht mit Deinem richtigen ´Namen, der einen guten Klang hatte, als Dein Vater noch lebte, nämlich Martin Krüger!“ Nach einer kurzen Redepause fuhr Oberförster Falk, denn so hieß der Grünrock, fort: „ Ich kenne Dich von Deinem Holzdiebstahl im Vorjahr und der widerrechtlichen Aneignung von drei Weihnachtsbäumen aus unserer Tannen-Nachzucht, die Du gemeinschaftlich mit Deinem neben Dir hockenden Huber
Schorsch, der im Tal nur´Froschauge´ heißt, begangen hast. Du siehst, lieber Herr Krüger, dass Ihr mir beide wohlbekannt seid und Ihr mir deshalb mit faulen Ausreden nicht kommen könnt! Ihr wißt auch, dass ich als Förster im Staatsforst Polizeiautorität besitze, die ich dadurch wahrnehme, dass ich Euch jetzt in meine Dienststelle mitnehmen werde, um festzustellen, ob Ihr zwischenzeitlich nicht schon wieder straffällig geworden seid!“
Ohne einen Kommentar wandte ich mich als Forstmann nochmals an die Verdächtigen und befahl ihnen mit Nachdruck: „ Wir nehmen den Talweg. Ihr beide geht voraus, der Hund hinter Euch und ich selbst übernehme das Schlusslicht unserer Prozession! Auf geht`s!
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